Bild aus "Die Erzählungen des Rabbi Nachman"

Die kleine Schwester

Nach dem Tode seines Großvaters, des Baalschemtow, wurde der Knabe Baruch ins Haus des Rabbi Pinchas von Korez aufgenommen. Er war aber verschwiegen und in sich gezogen, und auch als er schon herangewachsen war, sprach er keine Worte der Lehre.

Einmal ging Rabbi Pinchas am Vortag des Sabbats mit ihm ins Bad. Heimgekommen, trank er Met mit ihm. Als er sah, daß der Junge fröhlich geworden war, forderte er ihn auf, ein Wort der Lehre zu sprechen. Baruch sagte: »Im Hohenlied steht geschrieben: ›Wir haben eine kleine Schwester.‹ Das geht auf die Weisheit, wie es in den Sprüchen Salomos heißt: ›Sprich zur Weisheit: Du bist meine Schwester.‹ Ich habe eine kleine Weisheit. Und weiter steht im Hohenlied geschrieben: ›Und sie hat keine Brüste.‹ Meine kleine Schwester hat keine Brüste, von denen sie saugen könnte; sie hat keinen Lehrer mehr, von ihm Lehre zu empfangen. Und weiter steht geschrieben: ›Was tun wir unsrer Schwester am Tag, da um sie geredet wird?‹ Was soll ich mit meiner kleinen Weisheit anfangen, wenn ich alles geredet habe?«