Bild aus "Die Erzählungen des Rabbi Nachman"

Die schwere Buße

Einem, der den Sabbat unwissentlich entweiht hatte, weil sein Wagen gestürzt war und er, wiewohl in gewaltsamem Laufschritt, die Stadt nicht vor dem Anbruch der heiligen Frist erreichte, erlegte der junge Rabbi Michal eine harte und lange Kasteiung als Buße auf. Der Mann hielt sich mit aller Kraft dazu, das Vorgeschriebene zu erfüllen, merkte aber bald, daß sein Leib nicht standhielt, sondern zu kränkeln und nun auch das Gemüt zu schwächen begann. Da erfuhr er, daß der Baalschem durch die Gegend reise und sich in einem nahen Ort aufhalte; er ging hin, faßte sich ein Herz und bat den Meister, ihm für die Sünde, die er begangen habe, eine Lösung aufzuerlegen. »Trag ein Pfund Kerzen ins Bethaus«, sagte der Baalschem, »und laß sie zum Sabbat anzünden. Das ist deine Lösung.« Jener meinte, sein Bericht habe nur halbes Gehör gefunden, und wiederholte sein Anliegen auf das eindringlichste. Als der Baalschem aber auf dem unbegreiflich milden Urteil beharrte, erzählte ihm der Mann, welch schwere Buße über ihn verhängt worden war. »Tu nur, was ich dir sage«, antwortete der Meister, »dem Rabbi Michal aber überbringe, er möge in die Stadt Chwostow kommen, wo ich den nächsten Sabbat halten will.« Aufgehellten Angesichts nahm der Bittsteller Abschied.

Dem nach Chwostow fahrenden Rabbi Michal brach unterwegs ein Wagenrad, und er mußte zu Fuß weiter. So sehr er sich beeilte, es dunkelte schon, als er die Stadt betrat, und als er die Schwelle des Baalschem überschritt, sah er ihn schon erhoben, die Hand am Becher, um den Segen über den Wein zum Eingeleit des Ruhetags zu sprechen. Der Meister unterbrach die Handlung und redete den erstarrt Dastehenden an: »Gut Sabbat, Sündloser! Hattest das Leid des Sünders nicht geschmeckt, trugst niemals sein verzagtes Herz in dir – so war deine Hand leicht, Buße auszuteilen. Gut Sabbat, Sündiger!«